"Fetisch geht für mich nur mit Liebe"
von Christine Janson (Kommentare: 0)
„Fetisch geht für mich nur mit Liebe“
Ein Interview mit Peter W. Czernich über seine Kunst und die Lust auf Gummi
Peter W. Czernich wurde in Norddeutschland geboren und ist einer der weltweit angesagtesten Fetisch-Fotografen und Herausgeber verschiedener Fetisch Magazine wie HEAVY RUBBER, <O> und MARQUIS. In unserem Interview berichtet er mir über die Faszination am Fetisch, über Textilerotik und erzählt auch von seinen Shootings mit Dita von Teese, mit der er viele Jahre zusammengearbeitet hat und als deren „Entdecker“ er sich sieht. Trotz seines großen Erfolgs ist Peter W. Czernich völlig bodenständig geblieben und spricht sehr offen über sich und seine Kunst.
Lieber Peter, du hast eine beeindruckende Vita und warst früher Art Director in einer New Yorker Werbeagentur. Wie bist du zur Fetisch-Fotografie gekommen? Gab es da einen bestimmten Auslöser?
Bevor ich Fotograf wurde, war ich zunächst Verleger. Ich hatte eine eigene kleine Agentur Mitte der 80er, und war immer auf der Suche nach Aufträgen. Damals boomten gerade die Fitnessstudios, und für einen Hersteller von Kraftmaschinen musste ich nach London. Dort gab der Kunde mir den Tipp, wenn ich mich mal amüsieren wollte, auf das London Fashion Weekend zu gehen, wo ich ein Schlüsselerlebnis hatte: Ich bog auf der Messe um eine Ecke und erblickte ein in glänzendes Gummi gehülltes Model, das gerade mit Silikonöl auf Hochglanz poliert wurde. Sie stand dort mit hochgereckten Armen, wie eine schwarze Statue. Das Bild hat sich mir für immer eingebrannt. In London entstand damals gerade die Fetischszene neuerer Prägung. Bisher war es visuell und stilistisch eher miserabel, was in einschlägigen Läden an Heftchen geboten wurde, und was die wenigen Hersteller solcher „Schlankheitswäsche“ anboten. Nun aber mischten Topdesigner und gute Fotografen die Szene auf, und mit dem Club (und späteren Magazin) SKIN TWO entstand das dazugehörige Sprachrohr. Für mich war schnell klar, dass ich da mitmachen wollte! Bald gab ich ein eigenes Fetischmagazin heraus - <O> - und vertrieb die englische Latexmode auf deutschen Offline-Modemessen. Nina Hagen gehörte damals zu unseren Kundinnen. Fotograf wurde ich erst später, als mir das Arbeiten mit den von uns beauftragten Fotografen zu langwierig und unergiebig wurde.
Was ist deine persönliche Faszination mit Lack, Leder und Gummi? Stimulieren diese Materialen die Sinne auf unterschiedliche Art und Weise? Was ist dein Favorit?
Mein Favorit ist eindeutig Gummi. Ich sage auch bewusst gern Gummi, und nicht „Latex“ – das ist der eher verschämte, mainstreamtauglichere Begriff ;-) Leder und Lack wurden schon vor längerer Zeit durch Gummi als Haupt-Fetischmaterial abgelöst: Leder war zu alltäglich geworden, Lack wirkt billig (Rotlicht). Auf heutigen Fetischpartys geht es zu 90% um Gummi.
Für mich ist das Material mehrfach spannend: Visuell, weil es den Körper in unnachahmlicher Weise formt, sowohl durch seine Elastizität als auch den Glanz, der die dreidimensionale Wirkung erhöht. Sensorisch, weil es sich körperwarm wie glatte Haut anfühlt. Sogar der Geruch und Geschmack (wenn man daran leckt!) sind für den Fetischisten erotische Stimuli, oder werden es mit der Zeit.
Wie suchst du dir deine Modelle aus und welche Geschichten möchtest du mit deinen Fotos erzählen?
Ich bin weniger der Geschichtenerzähler à la Helmut Newton (den ich trotzdem sehr bewundere!), sondern mich interessiert der rein fetischistische Blickwinkel. Ich versuche die Fetisch-Aspekte besonders knackig und präzise herauszuarbeiten. So muss man z.B. schwarzes Gummi in einem dunklen Raum mit besonderen Aufhellern herausarbeiten, damit es nicht „absäuft“. Ich möchte meine Modelle in fetischistischer Hinsicht so attraktiv und perfekt wie möglich erscheinen lassen, als Göttinnen und perfekte „Gummipuppen“.
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Ich persönlich liebe deine sehr starken und extrem femininen Frauentypen mit prallen Brüsten, die mich ein wenig an die Darstellerinnen in den Russ Meyer Filmen in Supervixens erinnern. Wirst du von Frauen auch ab und zu angegriffen, die das zu sexistisch finden?
Glücklicherweise nicht! Ich habe es auch nur mit Frauen zu tun, die das, was ich mache, gut finden, und gern von mir fotografiert werden. Wen es stört, der soll es sich nicht anschauen! Die Frauen in der Fetischszene heute sind selbstbewusster denn je, und vor allem selbstbestimmter: Es gibt hervorragende Fotografinnen und Modedesignerinnen, und letztendlich dreht sich doch alles um die Models und Dominas. Die Frauen haben eindeutig das Heft in der Hand. Mir tun da manchmal schon eher die Männer leid, die ihren Fetischreizen oft hilflos ausgeliefert sind…
Du hast deine Leidenschaft zu deinem Beruf gemacht und auch einige sehr erfolgreiche Fetisch-Magazine gegründet, wie z.B. MARQUIS, das in drei Sprachen erscheint und eine Auflage von 50.000 hat. Wird sich unsere Sexualität in 20 Jahren verändert haben? Wird Fetisch dann ganz „normal“ sein? Wie könnte dann in der Zukunft Extravaganz aussehen?
Die genannten Zahlen sind leider lange vorbei! In der 2. Hälfte der Neunziger hatten wir mal eine Auflage von über 30.000 Heften (50 waren es nie!). Die französische Ausgabe wurde auch gerade eingestellt, in Frankreich entwickelt sich die Szene nicht. Was in der Zukunft sein wird, kann man immer schwerer voraussagen. Das Internet verändert alles, immer schneller. Während gut gemachte Bildbände wohl noch lange ihren Markt haben werden, ist die Zukunft der Printmagazine ungewiss. Immer weniger Leute wissen so etwas zu schätzen, wollen die Hefte sammeln. Die Sexualität wird ebenfalls vom Internet beeinflusst. Ich glaube, dass die ständig verfügbare Bilderflut die Leute sexuell abstumpft. Es gibt z.B. auf tumblr massenhaft Sammlungen perversester und extrem expliziter Bilder (das wird seltsamerweise überhaupt nicht zensiert!). Die Leute, die diese Seiten posten, geben offen zu, dass es ihnen nur noch um das Onanieren geht, dass sie es sich vor dem Rechner bequem machen und es genießen… Wenn ich also sehe, wie jeder heutzutage sein Leben nur noch über das Smartphone und das Internet lebt, finde ich das sehr bedenklich. Andererseits machen die Leute immer noch gern Party, die großen Fetischevents sind bestens besucht. Und die neuen Technologien können auch spannend sein: Action Cams, Live-Video etc. erlauben „Fernbeziehungen“ der ganz anderen Art…
Du hast auch Fotos mit Dita von Teese gemacht und ich bin ein großer Fan von ihr. Wie war es für dich mit ihr zu arbeiten? Kannst du dich an eine besondere Begebenheit erinnern?
Auch ich bin ein Fan von Dita. Es war ein großes Glück für mich, so oft mit ihr arbeiten zu dürfen, schon seit 1995. Damals war sie weitgehend unbekannt, ich gehöre also mit zu ihren Entdeckern. Andererseits war sie bereits „komplett“ – ein perfektes Model, mit der großartigen Optik und Ausstrahlung die sie seitdem beibehalten hat. Die Zusammenarbeit mit ihr hat mich sehr weitergebracht; sie ist sehr kritisch, wir haben die Bilder besprochen und sie hat mir vieles aufgezeigt. Es war oft sehr intensiv und immer sehr produktiv: Einmal sagte sie zu mir: „Jetzt haben wir einen ganzen Bildband zusammenfotografiert“! Den gab es dann auch: „Vintage Dita“ (in der Edition Skylight, leider vergriffen).
Besonders schön ist es, dass wir über alle die Jahre Kontakt behalten haben, auch nachdem Ditas Karriere durch die Decke ging. Das letzte Mal habe ich sie im Londoner Savoy-Hotel fotografieren dürfen, wo sie den „Japanischen Salon“ für uns reserviert hatte. Eine sehr luxuriöse Erfahrung, da ich mir solche Hotels sonst nicht leisten kann ;-)
Gab es schon mal eine so heiße Fotosession, die dann zum Sex geführt hat? Magst du davon berichten?
Nur mit der eigenen Freundin oder meiner Frau. Da haben wir das Fotografieren oft als prickelndes Vorspiel gestaltet. Ich halte es aber für unprofessionell, mich als Fotograf einem Model zu nähern. Im Studio herrscht eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre, auch wenn es dabei gelegentlich knistert.
Du hast das weltweit größte Fetisch Event, den BALL BIZARR ins Leben gerufen. Kann man sich das wie eine große Orgie vorstellen? Was genau passiert da?
Der BALL BIZARRE war nur zu seinerzeit wohl der größte Fetischevent, mit über 1.000 Gästen. Heute gehen die Events über viele Tage, ganze Hotels werden dafür reserviert, so dass man unter sich ist und den ganzen Tag in Gummi verleben kann. Eine Orgie ist das aber nicht, wenn es auch in mancher Ecke und vor allem auf den Zimmern zu Aktionen kommen kann. Es geht eher um „Sehen und Gesehen werden“, Freunde wiedertreffen, die man vielleicht nur einmal im Jahr sieht. Die Kreativen treffen sich schon ganz zu Beginn, um sich für Shootings und Laufsteg zu verabreden – „Models & Makers“ oder „Meet & Greet“ nennt sich das, und wurde von mir mal ganz eigennützig erfunden ;-)
Es werden die neuesten Latexkreationen gezeigt, und viele tolle Performances, bei denen z.B. bekannte Dominas ihr Können demonstrieren. Die meisten wollen aber feiern, ihre tollsten Outfits vorzeigen, und voyeuristischen Vorlieben frönen. Als ich anfing, Mitte der 80er, hatten die Partys noch einen riesigen Männerüberschuss. Heute ist das völlig ausgeglichen, und man kann durchaus auch jemanden kennenlernen.
Wird Sex unpersönlicher, wenn man eine Distanz schafft mit engen Textilien wie Gummi oder Lack? Wie kann man Fetisch mit Liebe verbinden?
Fetisch geht für mich nur mit Liebe. Ich werde immer wieder gefragt: „Herr Czernich, wo finde ich meine perfekte Gummifrau?“ Ich antworte dann, dass man sich zuerst kennenlernen und lieben lernen muss, um dann seine Neigungen zum Thema zu machen. Eine liebende Frau wird gern darauf eingehen, wenn man nicht gleich mit der Tür ins Haus fällt. Wenn es dann optimal läuft, schaffen diese gemeinsam ausgelebten erotischen Fantasien eine ganz besondere Nähe und Verbundenheit, die Fetischpaare ein Leben lang zusammen halten kann.
Welche unterschiedlichen Vorlieben gibt es in den verschiedenen Ländern im Umgang mit Fetisch und Textilerotik?
Mein guter Freund Steve English – Gründer der Fetischfirma DEMASK – hat einmal gesagt: „Es gibt einen Fetisch-Äquator“, der ungefähr auf der Höhe von Paris verläuft.“ Will sagen: In südlichen Ländern ist Fetischismus deutlich weniger verbreitet. Zu warm? In unseren gemäßigten Breiten, wo man sich oft gegen feuchtes Wetter schützen muss, sind Gummistiefel, Regenmäntel, Capes und Kapuzen häufig Auslöser fetischistischer Vorlieben. Mitteleuropa bildet da eine Kernzone – Holland, Deutschland, UK, Skandinavien und Polen. Die USA sind anders, da bedeutet „Fetish“ eher Perversion – Rape-Szenen, Klistiere, Bondage, etc. Auch die japanische Ausprägung hat ihre Besonderheiten – Schulmädchen mit Riesenbrüsten (Hentai), Körperflüssigkeiten, Shibari. In England gibt es teils skurrile Fetischismen, die anderen Ländern eher fremd sind: Kleckereien mit Schokoladensoße und das Zermatschen von Kuchen…Andere Länder, andere Fetische!
Du hast in deinem Leben so viel erlebt. Gibt es noch erotische Fantasien, die dich reizen und die du noch nie ausprobiert hast?
Mit fast 62 bin ich heute vielleicht ein wenig weniger abenteuerlustig. Auch habe ich schon so ziemlich alles gesehen, und zwar 24/7, durch meinen Beruf. Da lasse ich es etwas langsamer angehen. Auch durchlebe ich gerade die Trennung von meiner Frau, und wir haben unsere gemeinsame Firma MARQUIS abgegeben, so dass mir der Sinn derzeit nach anderem steht. Ich bin jedoch „unheilbar kreativ“; mir kommen ständig Sachen in den Kopf und Fantasien. Time will tell…
Das wunderschöne Buch kannst du hier kaufen:
Erotic Fantasies
Peter W. Czernich
Edition Reuss
ISBN 978-3-943105-27-8
Preis: 39,90 €
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Infos über neue Projekte und Fotoshootings von Peter W. Czernich findest du hier >> Peter Czernich
Das Copyright der Fotos liegt bei Peter W. Czernich und Edition Reuss
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